Jörg Seidel Jazz CD – Swingin‘ – scattin‘ und große Balladen!

2994

Immer interessiert oder auf der Suche nach guten Vokal-Jazz-CDs bin ich auf ein Album des deutschen Jazzgitarristen und Sängers Jörg Seidel gestoßen. Seidel, Jahrgang 1967, macht schon viele Jahre Jazz, hat ein umfassendes Repertoire und musizierte mit großartigen Musikern und Sängern wie Ron Williams, Sylvia Droste, Bill Ramsey, Greetje Kauffeld oder der österreichischen Jazzsängerin Ines Reiger gearbeitet.

Nach meinen Recherchen hat Seidel bereits ein Dutzend CDs auf seinem eigenen Label „Swingland-Record“ veröffentlich. Allerdings erst in den letzten Jahren hat er sich auch dem Jazzgesang zugewendet „“ und wenn man sich sein unlängst erschienenes Album „..singin‘, swingin‘ & scatting about love..“ anhört, können sich Vokaljazzfans über diese Entscheidung freuen. Im Cover der CD befindet sich zu Seidels Jazzgesang eine fulminante Besprechung von Ernest Luther, jazz-critic Los-Angeles. Das in dem Text Vergleiche zu Kurt Elling und Kevin Mahogany „“ zwei absolute Weltstars des Vokaljazz – herangezogen werden, läßt natülich aufhorchen und erweckt sofort Interesse.

Das Album beinhaltet Jazzstandards und Eigenkompositionen und variiert in Begleitung eines klassischen Jazzquartets – Piano, Bass, Saxophon und Schlagzeug „“ stark swingende Nummern mit gefühlvollen Balladen. Mit „You’re driving me crazy“ startet die CD recht temporeich. Schon nach den ersten Takten und gesungenen Lyrics stellt man fest, Seidels Timing ist perfekt. Alsbald hört man dann, dass der Mann tatsächlich „scattet like hell“ (wie Ernest Luther in seiner Kritik schreibt). Ebenso sicher wie musikalisch scattet Jörg Seidel sich mit kräftiger Stimme durch alle Tonlagen und hält das über ein beträchtliche Dauer so durch, ohne das Eintönigkeit entsteht. Sein schnelles, virtuoses Nebeneinandersetzen von Vokalen erinnert an die heißen Saxophonläufe der großen Bebob-Jazzer.

Bei „My melancholy Baby“ ist man augenblicklich in der Stimmung, die dieser Song vermitteln soll. Bedächtig konzentriert auf den Text, fasziniert mich dabei, wie er allein das kurze Wort „Baby“ mit so vielen Klangnuancen versehen kann, dass einem die Melancholie des Songs sprichwörtlich vor Augen steht. Durch das Verzögern der regulären Tempi ergibt sich eine melodische Spannung.

Spätestens beim vierten Titel verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass die ganz große Begabung des „Sängers“ Jörg Seidel im Interpretieren von Jazzballaden liegt. In seiner Version gerät sogar der uralte Platters-Schmachtfetzen „Only You“ aus den Fünfzigern zu einem schlichten Kunstwerk. Das man jetzt die eigentliche Schönheit und auch Originalität dieser Melodie wahrnimmt, sozusagen neu entdeckt, ist Seidels Verdienst. Alles schlagerhafte, kitschige ist wie weggezaubert „“ dafür sorgt auch die Instrumentierung mit tiefen, massiven Basstönen, kräftigem Schlagzeug und einem leise-verspieltem Piano. Selbst eine abgedroschene Floskel wie „when you hold my hand I understand the magic that you do; you’re my dream come true my one and only you“ bekommt durch die sehr langsame, blues-jazzige Intonierung Seidels eine glaubhafte Bedeutung. Die betroffene Person wird so unmissverständlich und inständig angesungen „“ der Zuhörer muss sich regelrecht damit identifizeren.

Auch beim Klassiker „The touch of your lips“ ist es wieder Seidels einschmeichelnde sensible Phrasierung, mit denen er Lyrics und Melodie den richtigen Ausdruck verleiht „“ es kommt wirklich aus seinem Innersten. Seine Stimme klingt warm und resonanzreich und hat in den Endsilben der Worte ein ganz eigenes, schönes , aber vorsichtiges Vibrato.

Swingende Titel sind u.a. die eigene Kompositon “ A girl’s life“, „It’s a sin to tell a lie“ „When sunny gets blue“ und eine Harry-Connick -Komposition „Were in Love“. Letztere ist ziemlich rasant, und begeistert durch galoppierende Pianoläufe und Seidels frische Stimme.

„It’s a sin to tell a lie“ zeigt noch einmal eine Scateinlage, die Jörg Seidel mit größter Selbstverständlichkeit, Freude und Elan zelebriert. Auch hier erklärt sich wieder, was reiner Scatgesang mit hoher Musikalität zu tun hat. Temperamentvollem legt Pianist Araon Wonesch hier richtig los und Saxophonist Heinz von Herrmann glänzt mit seinem Spiel.

Moderat swingend ist Seidels eigene Komposition „A girl’s life“. Seine begleitenden Musiker, genannt „The Vienna Connection“ spielen engagiert und bieten in ihrer klassischen Jazzbegleitung von Klavier-Bass-Saxophon-Schlagzeug einen idealen Sound. Seidels Stimme ist auf der ganzen CD akustisch sehr im Vordergrund „“ was ich prinzipiell gut finde- denn einen Sänger soll man mit seiner Stimme mit jeder Nuance hören. So ist auch Seidels englische Aussprache gut zu hören, die mir manchmal aber allzu deutlich die Worte artikuliert oder akzentuiert. Bei den Balladen stört das überhaupt nicht, sondern fördert noch die Intensität von Lyrics und Melodie. Sein Gesang könnte aber gerade bei den swingenden Stücken noch geschmeidiger und flüssiger klingen, wenn die Aussprache lässiger käme.

Der letzte Titel der CD ist eine Besonderheit und deshalb interessant, weil die Komposition „Flirting‘ with twilights“ eine musikalische Verbindung von Glenn Miller, Charlie Haden und Kurt Elling zeigt. „Flirting‘ with twilights“ ist auch der Titel einer Kurt Elling CD von 2001. Elling schrieb einen speziellen Text zu Charlie Hadens sublimen Bass-Solo, welches dieser innerhalb der berühmten „Moonlight Serenade“ spielte. Elling war von Hadens getragener Version des Glenn-Miller-Songs stark beeindruckt. Er meinte, dass viele Leute die „Moonlight Serenade viel zu schnell spielten. „So many people play „Serenade“ too fast. They don’t understand, how tender it is.“

So entstand in der Kombination von Melodie des Bass-Solos mit der „Moonlight Serenade“ ein neues Musikstück. Jörg Seidel orientiert sich bei diesem Titel gesanglich am Stil von Jazz-Vocal-Groups wie Lambert Hendricks & Ross ( oder Bavan), The Mahattan Transfer oder auch den New York Voices, die alle Meister des „Vocalese“ waren und sind. Hier setzt er zudem gekonnt seine Kopfstimme ein. Eine stilistische Nähe zu Kurt Ellings vokaler Technik wird besonders in seiner Phrasierung, Diktion und dem Wechsel von laut zu leise erkennbar. Seidel begibt sich hier auf das Terrain des schwierigen „Vocalese“ – was bedeutet, er kann Instrumente nicht nur mit den wortlosen Silben des Scatgesang imitieren, sondern auch mit sinnvollen Textzeilen. Sicher ist „Flirting‘ with twilights“ auf dieser CD eines der interessantesten Stücke. Die ziemlich abgedudelte, dennoch unsagbar schöne „Moonlight Serenade“ in so aparter Erneuerung zu hören ist von großem musikalischem Reiz.

Abschließend kann ich sagen, das Jörg Seidel eine lohnende Entdeckung innerhalb der deutschsprachigen Jazz-Vokalisten ist. Seine Interpretationen überzeugen durch Feinsinnigkeit Stilsicherheit und Eindringlichkeit und nicht zuletzt durch „swingende Freude am Jazz“ .

CDs von Jörg Seidel sind über sein eigenes Label „Swingland-Records“ zu beziehen.
Kontakt: http://www.joerg-seidel.de/

Vorheriger ArtikelAuch Frank Schaefer schafft keinen Umbruch- 1FC Köln verliert 4:1 in Freiburg
Nächster ArtikelUNESCO Internationaler Tag des Jazz – Jazz Musiker geben ein Konzert am Kölner Dom
Die JAZZ CD/DVD- und Konzert Rezensionen von Werner Matrisch sind ein besonderes schöne Rubrik. Jazzie traf den Kölner Maler und Künstler Werner Matrisch "Homepage WernerMatrisch" bei einer Vernissage. Wir kamen ins Gespräch und entdeckten, das wir nicht nur eine gemeinsame Leidenschaft, die Malerei haben, sondern auch dem Jazz sehr zugetan sind.