Kino – CICERO der Film -Zwei Leben eine Bühne

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Köln- Als Fan, Musik- und Jazzliebhaber war mir durch gute Musikbesprechungen Ende der Sechziger Jahre der Pianist Eugen Cicero aufgefallen. Einige seiner Alben, welche beim renommierten Label MPS erschienen, kaufte ich in den späten Sechzigern und sie beeindruckten mich sofort.

Als ich dann Anfang 2006 das erste Album seines Sohns Roger „There I Go“ im Laden fand, war ich total überrascht. Ich hörte in die Songs rein, und sofort wurde mir klar: das klingt fantastisch! Diese Stimme, diese Intensität und Dynamik, dieses Rhythmusgefühl, diese totale Sicherheit in der Intonation! Kurze Zeit später, als ich dann Rogers deutschsprachiges Album „Männersachen“ im Bigband-Swingstil erwarb, blieb ich bei meinem Urteil: Eugen Ciceros Sohn ist einer der besten deutschen Jazzsänger, die dieses Land jemals hatte.

Die folgenden zehn Jahre bis zu Rogers tragischen Tod im März 2016 waren angefüllt mit seiner Musik, seinen Konzerten, mit Fan-Treffen oder Freunden des sogenannten Fanforums und auch persönlichen Gesprächen, die ich mit Roger hatte. Dann kam sein Tod – völlig unerwartet und schockierend für mich. In den folgenden Jahren hatte ich versucht, weniger an diese Zeit zu denken, weil der Verlust so schmerzhaft war. Ich dachte immer: du musst Abschied nehmen, loslassen – diese Zeit war wunderschön, einmalig, aber unwiederbringlich vorbei.

Ich hörte also deutlich weniger seine Musik – aber immer wenn auf meinem MP3 -Player im Shuffle-Modus ein Song von Roger ertönte, wurde mir bewusst, dass er – besonders auch im deutschsprachigen Raum – ein absoluter Ausnahmesänger war. Ich hatte mir von seinem Auftritt bei den Leverkusener Jazztagen einen Audio-CD-Mitschnitt gemacht. Wenn ich mir seine Version von „Moondance“ auch heute noch anhöre, wird mir klar, dass ich keinen anderen deutschen Jazzsänger kenne, der jemals solch unfassbar variable, dynamische Scat-Kaskaden über Minuten hinweg derart erfindungsreich singen könnte.

Der Film  „CICERO – Zwei Leben, Eine Bühne“

Seit der Film „CICERO – Zwei Leben, Eine Bühne“ angekündigt wurde, habe ich mich wieder mehr mit Roger beschäftigt. Das war für mich eine Art Wiederbelebung. Vor einigen Tagen habe ich dann den Film im Kölner OFF-Broadway angesehen.

Die hohe Professionalität und auch Seriosität mit der Kai Wessel den Film gestaltet, haben mich sofort überzeugt und mir die Angst genommen, der Film könnte in ein lobhudelndes, larmoyantes Fan- Porträt entgleiten. Nein, so war der Film nicht – aber sehr wohl durch die genaue, sensible Hinführung zum Leben und zur Karriere von Vater und Sohn für jeden Betrachter berührend. Für Fans und alle Menschen, die Cicero persönlich kannten, war dieser Dokumentarfilm nochmal eine besonders emotionale Begegnung. Angesichts der familiären Jugendfotos, der frühen Auftritte des jugendlichen Roger mit Vater und den bewegenden Statements von Zeitzeugen und seiner Freunde, Musiker und Manager, die mir und anderen Fans ebenfalls bekannt waren, wurden viele schöne Erinnerungen wach, die mir aber auch einen dicken Kloß im Hals bescherten.

Natürlich hätte sich so mancher Fan längere Musikbeispiele oder Konzertausschnitte gewünscht, aber am Ende war ich sehr zufrieden, wie diese immer perfekt ausgewählt zu den jeweiligen Filmpassagen beigefügt wurden. So etwa, als Rogers langjährige Manager Karin Heinrich und Freddie de Wall ihn bei einem historischen Auftritt mit Pianist Joja Wendt erlebten und entdeckten. Rogers Version des Prince-Song „How Come U Don’t Call Me Anymore“ ist einer der raren Songs, die im Film (fast) komplett gezeigt werden. Diese frühe Version war ein vokaler Höhenflug. Die gesamte Musikbranche war glücklicherweise bei diesem denkwürdigen Auftritt anwesend, und es brauchte nicht lange bis Roger Cicero bei Heinrich/Dewall und Warnermusic unter Vertrag war.

Behutsam, niemals abrupt gelingen in diesem Künstlerporträt thematisch die Übergänge zum Vater Eugen. Beim gemeinsamen Auftritt singt der langhaarige Roger als Fünfzehnjähriger bereits sehr klangschön und in vollendeter Intonation den Billy-Joel-Hit „ Just The Way You Are“.

Tiefe, auch bisher unbekannte Einblicke in Eugen Ciceros Leben

Eugen Cicero wird auch mit mehreren Musiktiteln gezeigt. So, wie er den Soulsong von 1965 „Sunny“ mit hoher Virtuosität aber auch seiner speziellen Leichtigkeit spielt, steht er für mich genau zwischen Erroll Garner und Oscar Peterson. Über Eugen Ciceros Leben gewährt der Film durch seine Wegbegleiter tiefe, auch bisher unbekannte Einblicke – und da ging es nicht nur um seine frühen Erfolge sondern auch um Alkohol und Drogen.

Dem Teil, der von Rogers letztem Besuch bei seinem Vater berichtet, wie er ihn tot in seinem Hotelzimmer findet – folgt ein weiterer Konzertausschnitt von Rogers Hommage an seinen Vater „Ich hätt so gern noch Tschüs gesagt“. Ich habe dieses Stück oft auf seinen Konzerten erlebt. Es ist eine Ballade, die eben nicht sentimental ist, sondern sich neben den traurigen weichen Tönen auch schmerzhaft in agressiven lauten Noten entlädt und diese Hommage zu einem ergreifenden Blues macht. Danach ist Stille und die Leinwand für einen Moment schwarz. Man denkt: das wars. Aber nein, so endet der Film nicht – und das ist gut.

Denn wichtiger ist es, Roger mit all seiner Musizierfreude, seiner dynamischen Bühnenpräsenz, und seiner positiven Grundstimmung in Erinnerung zu halten. Denn zumindest auf der Bühne und auch in Interviews habe ich Roger überwiegend gutgelaunt und optimistisch erlebt. So ist es nur richtig wenn der letzte Song in diesem Künstlerporträt „Moondance“ von den Leverkusener Jazztagen ist. Diese tour de force dokumentiert explizit Roger Ciceros Meisterschaft des Jazzgesangs, seine musikalische Kreativität und seine schier unendliche Energie.

Es gibt in diesem Dokumentarfilm aber auch Dinge die keine besondere Erwähnung finden. Ich hätte gerne mehr erfahren über Rogers Zeit, als er in Holland lebte und Jazzgesang studierte. Über diese Zeit erfährt man nichts. Dazu kann man sich allerdings Rogers autobiografisches Buch „Weggefährten – Meine Songs fürs Leben“ (2010) “ zur Hand nehmen. Der Film informiert leider auch nicht über einen Meilenstein in Rogers Karriere: Roger Cicero hatte auf dem Mekka aller Jazzfestivals nämlich „Montreux“ einen Auftritt. Hier steht er mit seiner Bigband am Sommerabend des 12. Juli 2010 vor einem jazzverwöhnten Publikum auf der Bühne des 44. Montreux Jazz Festival.

Rogers viertes Album „In Diesem Moment“, welches sich in einem schöpferischen Stilwechsel unterschiedlicher Genres vom Swing mit deutschen Texten entfernte, wird im Film relativ ausführlich von seinen Bigbandfreunden und Wegbegleitern thematisiert. Aber ich vermisste schon, dass der Titelsong des Albums, welcher Roger in der deutschen Poplandschaft größte Popularität und Anerkennung brachte, nicht einmal angespielt wurde. Besonders nach seinem Tod bleibt dieser Song untrennbar mit seiner Person verbunden.

Aber solch kleine Versäumnisse ändern nichts daran, dass diese Dokumention über zwei große Künstler meine Erwartungen noch übertroffen hat. Ich konnte mir vorher kaum vorstellen, dass dieser Film so gut werden würde. Die Stationen dieser zwei außergewöhnlichen Karrieren wurden sensibel und mit größter Sorgfalt recherchiert. Die vielen Statements, sei es von Musikerkollegen oder Produzenten geben eine Wertschätzung wieder, die beide Künstler längst verdient haben. Beim Zuschauen hatte ich auch immer ein großes Gefühl der Vertrautheit, wenn ich den Musikern seiner Bigband – Matthias „Matze“ Meusel, Hervé Jeanne, Ulli Orth, Stephan Abel, Lutz Krajensik uva. – zuhörte.
Besonders, was Roger Ciceros künstlerische Beurteilung betrifft, dachte ich oft, dass seine wirklich intensive Beschäftigung mit dem Jazz, die vielen Jazztitel die er aufnahm nicht wirklich von den Medien gewürdigt wurden.

Solche Nichtbeachtungen werden durch den Film ausgeräumt. Der Betrachter wird Zeuge zweier hoch inspirierter, die Szene bereichernde Künstler, deren Leben die Musik war.

Nachtrag: Zum Film erscheint ein Soundtrack auf CD und Vinyl .

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Die JAZZ CD/DVD- und Konzert Rezensionen von Werner Matrisch sind ein besonderes schöne Rubrik. Jazzie traf den Kölner Maler und Künstler Werner Matrisch "Homepage WernerMatrisch" bei einer Vernissage. Wir kamen ins Gespräch und entdeckten, das wir nicht nur eine gemeinsame Leidenschaft, die Malerei haben, sondern auch dem Jazz sehr zugetan sind.