YOUN SUN NAH „SAME GIRL“ (CD erschienen September 2010 ) Innovativer Jazzgesang mit kristallklarer Stimme
Auch wenn ich weiß, dass ich sehr zur Euphorie neige wenn mir etwas gefällt, so finde ich es nicht übertrieben, dieses Album spontan zu den besten und zugleich erstaunlichsten Vokaljazz-Aufnahmen der letzten 10 Jahre zu zählen. Obwohl man die zwei Jazz-CDs nicht miteinander vergleichen kann: „Same Girl“ ist in meiner Wertschätzung ein hochkünstlerisches, insgesamt mehr „leiseres“ aber auch stark innovatives Pendant zu Rachelle Ferrell’s grandiosem, mehrheitlich dynamisch-überbordendem „Live at Montreux“ (2002) Album „“ welches ich ebenfalls in die besten Vokaljazzaufnahmen der vergangenen Dekade einordne. Beide Alben stehen innerhalb des Jazzgesangs unverrückbar auf ( meinem) Platz eins, aber unterscheiden sich dennoch absolut.
Wie man an meinen Rezensionen sieht, benötige ich oftmals doch recht „viele Worte“, bis ich eine CD ( für mich) zufriedenstellend besprochen habe. Immer will ich noch etwas hinzufügen, was mir ein- oder auffällt. Bei Youn Sun Nah’s CD „Same Girl“ kapituliere ich. Soviel klare Schönheit, Können, und Kreativität macht mich sprachlos „“ und nimmt mir sozusagen die Lust, nach geeigneten Superlativen oder Beschreibungen zu suchen. Da muss man einfach nur seine Ohren öffnen, zuhören, genießen und staunen.
Dieses Album ist schlichtweg ein Gesamtkunstwerk mit all seinem Farben, den exzellenten Klangschattierungen und besonders auch wegen eines Repertoires, welches in dieser Zusammenstellung ein wahres Ereignis darstellt. Die kristallklare Stimme der Koreanerin ist von einzigartiger Schönheit. Sie verlässt sich jedoch nicht auf dieses Geschenk der Natur, sondern beschreitet mit ungewöhnlichen Instrumenten und unerwarteten Arrangements wirklich innovative Wege im heutigen Jazzgesang. Endlich mal kein „Bar- und Kuscheljazz“, wie er von einer großen Anzahl der fast unüberschaubaren, neueren Jazzsängerinnen der letzten Jahre vorgestellt wird.
Viel zu oft lese ich in User-Rezensionen über Jazzsängerinnen Kriterien, die mit „Jazz“ wenig zu tun haben. (…man kann dabei so gemütlich am Kamin sitzen und einen guten Rotwein trinken…usw.) Es wird gesäuselt, gehaucht oder genervt mit kleinen, dünnen Stimmchen die ich alles andere als „bezaubernd“ oder “ betörend“ finde „“ auch wenn es das Feuilleton so befindet. In Interpretationen, die grenznahe am Sprechgesang sind, werden dann die Lyrics von wunderschönen Standards beschwörend gewichtig betont – alà Frau Krall auf ihrer CD „Quiet Nights“. Nur gesungen – GESUNGEN wird nicht. Ich meine dazu, nicht jede dieser Gesang-Spezies ist eine Billie Holiday oder Anita O’Day !
Für Hörer, die im Jazzgesang weniger bewandert sind, könnten einige Songs der Youn Sun Nah durchaus ein akustisches Abenteuer bedeuten und im extremen Kontrast zum wundervoll kunstvoll-schlichtem Opener „My Favorite Things“, bei dem sie sich nur mit einer afrikanischen Kalimba begleitet, ziemlich überraschen!
Ich denke hier z. B. an den Titel „Breakfast in Baghdad“ in dem Youn Sun Nah furiose Scatlinien mit exotischen Klangmuster- und Farben vermischt und Höhen erreicht, die bestimmt manche Gläser zerbrechen lassen, wenn sie zu nahe am Lautsprecher stehen.
Leicht bizarre Exkursionen leistet sie sich auch bei einem Titel von der Hard-Rock-Band Metallica, „Enter Sandman“. Daneben interpretiert sie unterschiedlichstes Material – Songs von Randy Newman, Sergio Mendes, einen koreanischen Traditional, ein Chanson und einen Blues von Terry Cox.
„Same Girl“ ist auch klanglich eine Produktion von herausragender Qualität. Die unfassbare stimmliche Qualität und Intimität der Koreanerin ertönt in höchster Klarheit und Transparenz. Neben viel Wärme, manchmal auch Fragilität „“ bewahrt eine wohldosierte Kühle oder Distanz ihren Vortrag vor allzu starker Harmonie. Der Hörer ist schon gefordert und ertrinkt keineswegs nur in Wohlklang. Dafür sorgt zusätzlich eine sparsame, aber stark akzentuierte Begleitung, die auf weniger vertraute Klangmuster setzt.
Youn Sun Nah hat eine Stimme, dessen Qualität für eine klassische Ausbildung bestens geeignet wäre. Wie schön dass sie mit ihrem phänomenalen musikalischen Potenzial dem Jazzgesang neue Impulse schenkt und damit dem Jazz – auch stilistisch – um eine neue, wirklich grandiose Stimme bereichert.