Erneuerer des Jazzgesangs: José James im LUXOR

1986

Köln-Obwohl José James‘ Album „The Dreamer“ (2007) von Jazzkritikern und Fans weltweit euphorisch gefeiert und besprochen wurde, scheint er, zumindest in Deutschland, immer noch so etwas wie ein „Geheimtip“ zu sein. Sein Solo-Debütalbum „The Dreamer“ wurde unter die 21 besten Jazzalben 2008 vom Critic Poll des US-Jazz Times Magazin gewählt. Danach war er in aller Welt auf Tournee und bekam beeindruckende Kritiken.

José James wurde 1983 in Minneapolis geboren. Seine Vorfahren stammen aus Panama und Irland. Schon sehr früh interessierte er sich für Soul und Hip-Hop, um dann später, stark beeindruckt und inspiriert von John Coltrane’s „Eqquinox“, zum Jazz zu finden. Nach der Highschool erhielt er ein Teilstipendium, wählte den Weg einer klassischen Ausbildung und studierte an der „New School for Jazz and Contemporary Music“. Produzent und DJ Gilles Peterson entdeckte Josè auf der Jazz-Competition 2006 in London.

Am Abend des 15. März 2010 beeilte ich mich, um rechtzeitig zum Einlass 20 Uhr im Luxor zu sein. Ich erwartete ein größere Menge Menschen – musste dann feststellen, dass ich mich vorläufig in einer überschaubaren Gruppe von ca. zwanzig Leuten befand. Konzertbeginn sollte 21 Uhr sein. Das Luxor ist eine schöne, intime Location. Gleich hinter der kleinen Tanzfläche befindet sich eine etwas erhöhte Bühne auf der die Musikinstrumente, Boxen usw. aufgebaut waren. Ich freute mich auf das Konzert „“ ich würde José James und seine Musiker hautnah erleben. Ein offensichtlicher José-Fan meinte auf meine Besorgnis hin, ob das Konzert möglicherweise wegen der wenigen Besucher nicht stattfinden würde – „..es findet auf jeden Fall statt. Der spielt auch für “ zwei“ Leute !“ Nun ja, erfreulicherweise füllte sich aber der Raum so nach und nach „“ und gegen 21 Uhr waren dann doch immerhin 80 – 100 Personen gekommen. Leider mussten wir uns noch in Geduld üben.

D ie Musiker, Grant Windsor ( keyboard, piano), Richard Spaven , (drums), und Neil Charles , (bass) betraten erst
gegen 21:45 die Bühne und spielten zunächst ohne José in fantastischer Soundqualität einen Jazztitel.
Ein viel versprechender Vorgeschmack auf das kommende Hörvergnügen.
Wenig später erscheint José James auf der Bühne. Nicht besonders groß, sehr schlank, fast schmächtig gebaut, mit schlanken Armen und feingliedrigen Händen, bewegt er sich elegant-geschmeidig. Sein Kopf und Profil sind gut geschnitten, der Blick seiner Augen tief und sympathisch. Augenblicklich spürt man seine Sicherheit und starke Präsenz „“ er behauptet mit seiner Persönlichkeit sofort die Bühne.

Als ich die CD „The Dreamer“ kaufte, war ich auf Anhieb von seiner warmen, rauchig-samtenen Baritonstimme wie gebannt. Jetzt „“ live gehört „“ erlebte ich keine Enttäuschung. José James wurde als neuer Star am Jazzhimmel des öfteren mit Ausnahmekünstlern wie Bill Withers, Gill Scott-Heron, Marvin Gaye, Terry Callier und sogar mit Al Jarreau verglichen. Und so wie das immer ist mit Vergleichen: sie können natürlich nur Orientierungspunkte sein, wenn man José James‘ Stimmfarbe, Stil und Technik beschreiben will. Denn er hat eine ganz eigene Magie in seiner Stimme. So wie José mit seinem Gesang Soul, Hip-Hop, Jazz und modernste Scatvocalism kombiniert, ist er ein bisher einmaliges Ereignis „“ auch innerhalb der Jazzszene.

Seine Stimme, die er anfangs ruhig und hauchzart einsetzt ist eingebettet im dichten Sound von Keyboard, Bass und Schlagzeug „“ aber die markante Tiefe und Wärme seiner außergewöhnlichen Stimme ist immer hörbar. Musiker und Sänger bilden eine stetige Homogenität, wie der weitere Konzertverlauf zeigen wird.

José James hat fast während des gesamten Konzerts die New Yorker Sängerin Jordana De Lovely neben sich. Manchmal singt sie ein Intro, bevor José mit in den Song einsteigt, oder sie singen in Balladen ganze Passagen im Duett. Wie z. B. bei dem Song „Blackmagic“, welchen beide in veränderter Liveversion kreativ und stark verlängert vorstellen. „Blackmagic“ ist auch der Titel des neuen, zweiten Album und die Songs daraus sind Programm der aktuellen Tour.

Die meisten Kompositionen von „Blackmagic“ entstammen Josés Feder. Man mag es meiner gelegentlichen konservativen
Einstellung bezüglich Kompositionen zuschreiben, wenn ich manche von Josés Songs in der Melodie etwas dürftig finde.
Sicher ist es seine Absicht, wenn er gerne dem Prinzip der ständigen Wiederholung folgt. Gleich der erste Song „Code“ besteht aus nur einer Zeile,
die minutenlang wiederholt wird. Es war das erste Stück des Abends „“ und José sowie Jordana interpretierten emotional und nuancenreich i
mmer wieder diese eine Zeile. Es klang, als ob sie sich und auch das Publikum in Trance versetzten wollten.
Den Musikern wurde dabei viel Freiraum zur Improvisation gelassen „“ alle waren gut, aber hervorstechend war Grant Windsor in seiner musikalischen Kreativität.

Jordana De Lovely ist fast bei jedem Song beteiligt, und ich habe mich mitunter gefragt, ob das eine gute Idee war. Sie hat eine helle, klare, sehr weibliche Stimme, die aber keine große Individualität besitzt „“ sie klingt neutral, und besitzt leider auch stilistisch keine Besonderheiten, die aufhorchen ließen. (Sollte sie wohl auch nicht). Sie kontrastiert jedoch mit ihren weich eingesetzten, und gedehnten Noten sehr harmonisch zu Josés dunklem, erotischem Timbre und seiner viel ausdrucksstärkeren Modulation. Bei den mäßigen up-tempo-Nummern wiegen sich Beide im Rhythmus, beschwören die Stimmung und bewirken Beifall und ein Mitschwingen des Publikums.

Als José James am Ende des Konzerts die erste von zwei Zugaben gibt, steht er ohne Jordana auf der Bühne und darüber war ich dann doch sehr erfreut. Bisher hatte ich ein Gefühl, als ob er einen Teil seines Könnens etwas „zurückhält“. Er schien immer etwas weniger zu geben, als er könnte. Sicher war es eine kalkulierte Strategie, die auch Spannung erzeugte, dass man hinter dem, was er bisher brachte, noch viel mehr an musikalischer Ursprünglichkeit, Originalität und Energie vermutete. Trotz dieser gewissen Reduziertheit bleibt Spannung und Freude an seiner Performance erhalten, denn seine Songs, sein musikalischer Stil, „“ all das verläuft überraschend anders, als man – Vergleiche suchend – voraus denkt.

Mit der Zugabe brachte José dann endlich die vocale Tour-de-force: intensiv, experimentell und ausufernd, wurde diese Performance im Alleingang das Highlight des Konzerts. Seinem Ruf, einer der innovativsten Jazzsänger der Gegenwart zu sein, blieb er keinen Beweis schuldig. Ihm zuzuhören ist so berührend wie ein aufrüttelndes intimes Erlebnis „“ es gibt nichts anderes mehr außer dieser Stimme……

Diese “ nur“ charismatisch zu nennen, klingt fast banal, wenn man seinen bizarren schon avangardistischen Gesangsexkursionen folgt. Ständig variiert, improvisiert, wiederholt und wandelt er die teils bizarren Melodienläufe. Er baut einen ganz eigenen Stil des Scatgesangs ein, denn den klassischen Scat hat er längst hinter sich gelassen und weiterentwickelt.

Viele der guten Jazzsänger wie Al Jarreau oder Bobby McFerrin hat man wegen ihrer schon artistischen Leistungen als Stimmakrobaten gepriesen. Der Eindrucksvollste der letzten Jahre könnte auf diesem Gebiet Kurt Elling sein. Aber José James ist ganz anders. Da, wo Elling zwar furios, aber doch auch intellektuell wie ein Mathematiker klingt, brilliert José mit berührender Genuinität. Er ist total crossover – kein traditioneller Jazzsänger, sondern ein neuer Vermittler zwischen Jazz, Hip Hop, Soul und Rhythm & Blues.

Bei allem was er singt – egal welchen Stil er gerade bedient – bleibt sein „soulfull-Gesang“ oberstes Gebot. Seine Körpersprache zeigt Versunkenheit, Entrücktheit. Sein rechter Arm und die Hand scheinen mit diesen ständigen, rhythmisch-intuitiven Bewegungen seinen Gesang zu dirigieren. Im letzten Titel offenbarte sich „“ im Verbund seiner großartigen Musiker- sein ganzes künstlerisches Potenzial.

Ich habe Anfangs einmal die musikalische Dürftigkeit ( oder Einfachheit) der José-James-Kompositionen erwähnt. Urheber dieses Gedankens ist aber die Vorstellung, dass José „“ auf seine unverwechselbare Weise „“ so manchen großartigen Song von Ellington oder auch die Stücke neuerer Jazzkomponisten singen könnte. Aber vielleicht ginge damit auch ein Teil von José James‘ einprägender Authentizität verloren.

Zum Schluss noch ein Bekenntnis von José:
„Ich liebe Hip Hop und ich liebe Soul, aber von allen amerikanischen Musikrichtungen ist Jazz für mich die tiefsinnigste und weitgefächerste. Es berührt mich in einer speziellen Weise, wie es Hip Hop und POP nicht können. Wenn es richtig gemacht ist, kann es das Leben der Menschen verändern.“
Ganz gewiß ist José James ein faszinierender Erneuerer des Jazzgesangs.
Autor: Werner Matrisch

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